Das Thema Landwirtschaft nicht anderen überlassen

Die Zahl dichter Ballungsräume wächst. Das Ruhrgebiet ist der größte deutsche Ballungsraum, die Landwirtschaft dieser Region ist durch die zunehmende Verstädterung und den Verlust von Fläche einem besonderen Druck ausgesetzt. Wie die künftige Landwirtschaft im Raum der Metropole Ruhr aussehen kann, soll das Projekt „Zukunftsforum Urbane Landwirtschaft“ der Landwirtschaftskammer NRW klären. Über das Projekt sprach die LZ mit der Projektleiterin, Andrea Claus-Krupp von der Landwirtschaftskammer NRW.

LZ: Frau Claus-Krupp, die Landwirtschaftskammer NRW hat das Projekt „Zukunftsforum Urbane Landwirtschaft“ gestartet. Was verbirgt sich hinter diesem Projekt?

A. Claus-Krupp: Das Projekt gehört zum Forschungsvorhaben „Nachhaltiges Landmanagement“, das mit insgesamt 50 Mio. € vom Bundesbildungsministerium gefördert wird. Eines der 13 geförderten großen Verbundprojekte steht unter dem Titel „Nachhaltige urbane Kulturlandschaft in der Metropole Ruhr“, und findet unter der Federführung der Uni Duisburg-Essen statt. Darüber hinaus sind vier weitere Universitäten, die Wirtschaftsförderung WMR, der Regionalverband Ruhr und unter anderem die Landwirtschaftskammer NRW an diesem Verbundprojekt beteiligt. Das Projekt „Zukunftsforum Urbane Landwirtschaft“ ist dabei eins von 13 Teilprojekten, die Landwirtschaftskammer ist zudem der einzige echte Praxispartner. Für unser Teilprojekt, das im Mai 2011 gestartet ist und insgesamt drei Jahre laufen soll, stehen 300 000 € Bundesmittel zur Verfügung. Für die Dauer von 3 Jahren wird davon ein Mitarbeiter finanziert, der die Projektarbeit fachlich betreut. Im Rahmen des Projektes soll aufgezeigt werden, wie die urbane Landwirtschaft aussieht und eine Zukunftsstrategie für landwirtschaftliche Betriebe und Unternehmer in der städtisch geprägten Region entwickelt werden. Die Metropolregion Ruhr, die wir im Rahmen unserer Untersuchungen betrachten, reicht dabei vom Kreis Wesel bis nach Hamm und umfasst so das Gebiet des Regionalverbandes Ruhr.

LZ: Was verstehen Sie denn eigentlich unter urbaner Landwirtschaft? Was sind die typischen Kennzeichen?

A. Claus-Krupp: Urbane Landwirtschaft umfasst für uns landwirtschaftliche und gartenbauliche Aktivitäten in und am Rande von städtischen Verdichtungsräumen. Vorteil der urbanen Landwirtschaft ist dabei die Nähe zum Verbraucher. Stichworte in diesem Zusammenhang sind Spezialisierung und Diversifizierung. Viele Betriebe setzen auf Direktvermarktung ihrer Produkte oder auf Dienstleistungen, von der Pensionstierhaltung über Gastronomie bis hin zu Bildungs-, Kunst- und Kulturangeboten sowie Landschaftspflege. Wichtiger Bestandteil der urbanen Landwirtschaft ist auch der klassische Bereich der Landwirtschaft mit Tierhaltung, Ackerbau und insbesondere Sonderkulturen, denen in Stadtnähe eine große Bedeutung zukommt. Der Anteil dieser Landwirtschaft ist dabei im städtischen Umfeld deutlich geringer als im ländlich geprägten Raum, denn das große Problem für die Betriebe ist die geringe Flächenverfügbarkeit, sie müssen einfach mit weniger Fläche auskommen. Hinzu kommt, dass der Pachtanteil bei diesen Betrieben höher ist als im Durchschnitt. Durch das geringe Flächenangebot und die kurzfristigere Flächenverfügbarkeit ist also die Entwicklung der Betriebe im urbanen Raum erheblich erschwert.

LZ: Und wo setzt das Projekt „Zukunftsforum Urbane Landwirtschaft“ an? Was ist Ziel des Projekts?

A. Claus-Krupp: Ziel ist es, eine Zukunftsstrategie für die rund 5 000 landwirtschaftlichen Betriebe in der Metropolregion Ruhr zu entwickeln. Hierzu gehört zunächst einmal, dass wir das Thema aus Sicht der Landwirtschaft thematisieren und auch landwirtschaftlich besetzen, denn die Gefahr ist groß, dass es andere tun wie Stadtplaner und Landschaftsarchitekten. Es geht darum, anderen die Besonderheiten der urbanen Landwirtschaft insbesondere als wichtigem Bestandteil der Kulturlandschaftsentwicklung deutlich zu machen. Im Rahmen des Projektes sollen alle beteiligten Personen und Institutionen  sowie alle relevanten Themen rund um die urbane Landwirtschaft zusammengetragen werden und dann gemeinsam aus landwirtschaftlicher Sicht Entwicklungs- und Umsetzungskonzepte für eine professionelle urbane Landwirtschaft entwickelt werden. Im ersten Schritt gilt es jetzt erst einmal, ein entsprechendes Netzwerk dazu aufzubauen. Zurzeit werden Listen mit Namen und Institutionen und Ansprechpartnern erstellt, und zwar nicht nur aus der Landwirtschaft, sondern auch aus Verwaltung, Politik und Wissenschaft. Parallel dazu ist eine Internetpräsentation „Zukunftsforum Urbane Landwirtschaft“ geplant für die Bereitstellung von Informationen sowie den Austausch und die Diskussion der beteiligten Netzwerkakteure.

LZ: Was hat die Landwirtschaftskammer bewogen, bei diesem Projekt mitzumachen? Was hat die Landwirtschaft überhaupt davon?

A. Claus-Krupp: Die Landwirtschaft hat damit die Möglichkeit, das Themenfeld der urbanen Landwirtschaft am Beispiel der Metropolregion Ruhr erstmalig aus landwirtschaftlicher und gartenbaulicher Sicht durch eine Institution der Landwirtschaft, realitätsnah und praxisorientiert zu bearbeiten. Wir haben in der Landwirtschaftskammer bereits vor Jahren Untersuchungsentwicklungen der Landwirtschaft in der Metropole Ruhr im Emscher Landschaftspark gemacht. Aus finanziellen Gründen war es damals nicht möglich, Konzepte zu verwirklichen. Durch das geförderte Projekt haben wir jetzt die Chance dazu. Diese Chance wollen und müssen wir nutzen. Es ist einfach wichtig, dass die Landwirtschaft bei diesen Zukunftsplanungen mitmacht und als Experte für die Fragen rund um die urbane Landwirtschaft auch wahrgenommen wird. Es darf nicht sein, dass Stadt- und  Landschaftsplaner sagen, wie es mit der Landwirtschaft weitergehen soll. Für die Landwirtschaft ist es daher wichtig, Teil des Netzwerkes Planung zu werden, um die landwirtschaftlichen Interessen zu vertreten.

LZ: Und was sollten die Landwirte jetzt Ihrer Meinung nach tun?

A. Claus-Krupp: Wir sind zurzeit dabei die regionalen Beteiligten aus dem Haupt- und Ehrenamt der Landwirtschaftskammer, des Verbandes und der Landfrauen einzubinden. Dazu haben wir eine zentrale Veranstaltung geplant, die am 22.März 2012 im Gartenbauzentrum in Essen stattfinden wird. Im Laufe des Prozesses werden wir weitere Veranstaltungen zu einzelnen Themen durchführen. Dabei sind unter anderem runde Tische geplant. Hier kann ich nur an die Landwirte appellieren, dabei mitzumachen, sich an der Ideenentwicklung zur urbanen Landwirtschaft zu beteiligen und Ihre Standpunkte einzubringen.